“Meine Schreibweise der letzten zehn Jahre etwa kann man getrost als dodekaphonisch bezeichnen, da die zwölf Töne stets in enger Nachbarschaft vorhanden sind. Sie ist atonal, da sie auf tonale Zentren verzichtet. Die strengeren Disziplinen der Zwölfton- und seriellen Technik wende ich nur noch gelegentlich an, da mir eine mehr gelockerte Faktur eher zusagt. Mit neueren Tendenzen wie ‚Neue Einfachheit’, ‚Neoromantik’, ‚Minimalismus’ und dergleichen habe ich nichts zu tun." (Ernst Krenek, 1989)

Die musikhistorische Bestimmung von Ernst Krenek, der, als er 91jährig starb, ein Œuvre von mehr als 240 Werken hinterließ, war schon zu seinen Lebzeiten extrem: In Europa wurde seine Vielseitigkeit gern als mehrfacher kompositorischer „Stilwandel" kritisiert und damit stillschweigend vorausgesetzt, daß ein schöpferisches Leben stilistisch einheitlich zu sein habe; andererseits charakterisierte man ihn in den USA als „one-man history of twentieth-century music" und trug damit dem singulären und fast unglaublichen Faktum Rechnung, daß Kreneks Werk eine Zeitspanne von mehr als sieben Dezennien des 20. Jahrhunderts umfaßt – vom Ende der zehner bis zu den ausgehenden achtziger Jahren. Wenn man das Bonmot aber ernst nimmt, geht es nicht bloß um zeitliche Konkordanz oder die Teilhabe an jeder aktuellen Strömung, sondern um Kreneks Zeitgenossenschaft.