Paolo Rolli griff in seinem Libretto für „Riccardo primo“ auf die Oper „Isacio tiranno“ von Antonio Lotti zurück, die 1710 in Venedig aufgeführt worden war. Händel benötigte einen Text mit zwei großen Frauenpartien, denn die beiden besten Sängerinnen der Zeit waren Mitglieder seiner Truppe: Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni; für sie hatte er bereits die Opern „Alessandro“ und „Admeto“ geschrieben. Im Frühjahr 1727 begann er mit der Komposition des „Riccardo primo“ und vollendete die erste Fassung am 16. Mai. Allerdings wurde nach dem Tod von König George I. am 11. Juni 1727 der Theaterbetrieb geschlossen.

Für Händel, seit Februar 1727 britischer Staatsbürger, bot jedoch die Thronfolge von George II. neue Möglichkeiten, und er begann mit der Revision der Oper. Damit konnte Händel zur Krönungsfeier eine neue Oper präsentieren, deren Held einer der charismatischsten Vorgänger Georges war. Er überarbeitete die seit Mai vorliegende Partitur umfassend, schrieb einige Teile neu und ergänzte sie um besonders prächtige Musik. Händel und Rolli verbesserten außerdem die Handlung und brachten patriotische Elemente zu Ehren der britischen Monarchie ein. Historischer Hintergrund ist der Dritte Kreuzzug gegen Saladin, den Sultan von Ägypten und Syrien, der 1187 Jerusalem zurückerobert hatte. Obwohl König Richard I. Zypern einnahm und vereint mit den französischen Kreuzfahrern die Festung Akkon im Heiligen Land erstürmte, endete der Kreuzzug mit einem Waffenstillstand, Jerusalem blieb in Saladins Hand. Richard wurde von den Engländern wegen seines großen militärischen Könnens und seiner Tapferkeit mit dem Beinamen „Löwenherz“ tituliert, obwohl die Bewohner Siziliens ihm diesen Namen zuerst wegen seiner unerbittlichen Grausamkeit bei den Auseinandersetzungen um Messina gegeben hatten.

Der Klavierauszug basiert auf dem 2005 erschienenen Band der „Hallischen Händel-Ausgabe“, herausgegeben von Terence Best und enthält die zweite, im November 1727 uraufgeführte Fassung.