Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“, wie wir sie heute kennen, hat offenbar eine längere, bis in die Zeit vor 1727 zurückreichende Vorgeschichte. Es ist unklar, ob die im Karfreitagsgottesdienst 1729 in der Thomaskirche aufgeführte Passion auf eine bereits vorhandene Fassung zurückgeht. Die erhaltene Frühfassung von 1729 jedenfalls präsentiert sich gegenüber der späteren Version in einer zum Teil auffällig anderen Werkgestalt. So endet zum Beispiel der erste Teil der Passion mit dem Choral „Jesum lass ich nicht von mir“, der für die Aufführung 1736 durch den groß angelegten Choralchor „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ ersetzt wurde. Die bekannte Alt-Arie „Ach! nun ist mein Jesus hin“ ist in der früheren Fassung noch dem Bass zugewiesen und in der Arie „Komm süßes Kreuz“ wird eine Laute statt, wie später, eine Gambe vorgeschrieben. Darüber hinaus wird in den doppelchörigen Sätzen nur eine Continuogruppe gefordert. Weitere Unterschiede gibt es in Instrumentalbesetzung und Stimmführung. So ist die Frühfassung der „Matthäus-Passion“ eine höchst interessante Ergänzung des großen Konzertrepertoires. Der entsprechende Band II/5b aus der „Neuen Bach-Ausgabe“, der als Dirigierpartitur verwendet werden kann, ist bereits 2004 erschienen.