Die Markus-Passion J. S. Bachs hat bereits vielfache Rekonstruktionsversuche erfahren. Allein der Text nach Picander ist überliefert und lässt so Schlüsse auf die ursprüngliche Gestalt der Passion zu. Aufgrund verschiedener Parodiebeziehungen lassen sich aber nahezu alle Arien und Chöre mit großer Sicherheit rekonstruieren. Die Musik der Rezitative und Turbae ist hingegen wahrscheinlich auf immer verschollen. Im Gegensatz zu anderen Rekonstruktionen bedient sich Austin H. Gomme nicht der zweifelhaften Technik einer Neukomposition „im Stile Bachs“, sondern ergänzt das rekonstruierbare Material durch Elemente aus der Markus-Passion Reinhard Keisers. Keiser, der als Zeitgenosse Bachs selbst den Passionstext nach Markus vertonte, fand bei Bach große Beachtung. Nachweislich führte dieser die keisersche Markus-Passion mehrfach auf.

Die erstmalig vor dem Hintergrund der Neuen Bach-Ausgabe vorgenommene Rekonstruktion durch Austin H. Gomme erlaubt es nun, das verschollene Werk als Ganzes aufzuführen und somit die einzigartigen Arien und Chöre in einen auch musikalisch schlüssigen Zusammenhang der Passionsgeschichte zu stellen.