Seit ihrer Berliner Uraufführung im Jahr 1755 zählte Carl Heinrich Grauns Passionskantate „Der Tod Jesu“ auf einen Text K. W. Ramlers lange Zeit zu den meistaufgeführten Werken dieses Genres. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts konnte sie sich im Repertoire der Oratorienvereine und Singakademien behaupten, oft gleichberechtigt neben Bachs wiederentdeckter Matthäus-Passion, die ihr dann den Rang ablief. Herbert Lölkes legt eine umfassende Monographie über Grauns innovative Komposition des mehrfach vertonten Ramler-Librettos or. Der Autor analysiert das vor allem im Berliner Musikleben zum „Kultstück“ avancierte Werk nicht nur unter poetischen und kompositionstechnischen Aspekten, sondern zeichnet auch seine ungewöhnlich lange und zunehmend kontrovers diskutierte praktische wie theoretische Rezeption nach. Um den spezifischen Charakter von Grauns „empfindsamer“ Passion schärfer herauszuarbeiten, wird Georg Philipp Telemanns fast gleichzeitig entstandene Hamburger Parallelvertonung vergleichend einbezogen. Telemann hat Ramlers aufklärerisch-anthropologische Passionskonzeption musikalisch in auffallend anderer Weise realisiert als Graun.