Mozarts Kindheitsopern werden als Quellen seines späteren musikdramatischen Genies dargestellt. Die vom Autor präsentierten Vorlesungsskizzen Gustav Jacobsthals dokumentieren eine von der Generalmeinung abweichende Stimme des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Jene Opern, die Mozart schon als Kind schrieb, noch bevor er als 14-Jähriger seinen ersten großen Opernauftrag für das Mailänder Opernhaus erhielt, galten lange als konventionelle, hübsche Übungsstückchen, die von dem späteren genialen Musikdramatiker kaum etwas ahnen lassen. Wie fragwürdig diese gängige Meinung ist, zeigt Peter Sühring , der genauer in die Entstehungshintergründe und die Faktur dieser Werke hineinschaut und der zukünftigen Forschung wie der öffentlichen Meinung damit eine andere Blickweise eröffnet.

Schon der allerjüngste Mozart hat demnach nicht nur seine erwachsenen Zeitgenossen ebenbürtig nachgeahmt, sondern auch eigene Akzente gesetzt, die seine spätere Meisterschaft nur zu genau erkennen lassen. Was der 11- und 12-Jährige in Salzburg und Wien in einem szenischen Oratorium (Die Schuldigkeit des ersten Gebots), einer lateinischen Schuloper (Apollo et Hyacinthus ), einer „Operette“ (Bastien und Bastienne) und einer Opera buffa (La finta semplice ) schuf, enthält bereits un-übersehbare Merkmale seines speziellen musikdramatischen Idioms. An einzelnen Beispielen aus diesen Werken wird dies anschaulich demonstriert. Eine andere Überraschung dieses Buches besteht darin, dass Sühring Funde aus dem Nachlass des Straßburger Musikwissenschaftlers Gustav Jacobsthal präsentiert, die zeigen, dass es schon in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts eine Gegenposition zum entstehenden Hauptstrom der Mozart-Rezeption gab. Denn Jacobsthal , der erste deutsche Ordinarius für Musikgeschichte, hatte schon damals die musikdramatischen Qualitäten der frühen Werke erkannt.

Inhalt:
- Mozarts früher Drang zur Oper. Der junge Mozart in der Opernstadt London
- Mozarts Einstieg in dramatische Bühnenmusik. Das szenische Oratorium Die Schuldigkeit des ersten Gebots
- Zwischen Seria , Operette und Buffa. Salzburg und Wien 1767/68. Die Opern der Kindheit: Apollo et Hyacinthus , Bastien und Bastienne, La finta semplice
- Jacobsthals Ansicht des Opernkomponisten Mozart. Jacobsthals Stellung in der Geschichte der Mozart-Forschung

Peter Sühring
(*1946) ist Buchhändler und Musikpublizist und wurde mit dieser Arbeit promoviert. Er bearbeitet den Nachlass von Gustav Jacobsthal und hat in diesem Zusammenhang mehrere kritische Editionen und Kommentare veröffentlicht. Buchveröffentlichung: Der Rhythmus der Trobadors, Berlin 2003.