Andrew Parrotts Buch ist das wohl abschließende Wort zu der in der Bachforschung heftig umstrittenen Frage der Besetzung des Chores – eine Streitschrift, die jeder kennen muss, der sich mit der Aufführungspraxis von Bachs Vokalwerken beschäftigt.

Welche Art von Chor schwebte Bach vor, als er seine Kantaten und Passionen schrieb? Wie viele Sänger standen ihm in Leipzig zur Verfügung und auf welche Weise setzte er sie in seiner eigenen Musik ein? Auf der Suche nach dem richtigen Verständnis von Bachs einzigartigem Chorschaffen unterzieht Parrott eine Vielzahl von Quellen einer Überprüfung: Bachs eigene Schriften sowie die von ihm für Aufführungen benutzten Partituren und Stimmen, dazu theoretische, ikonographische und archivalische Dokumente unterschiedlicher Herkunft, nicht zuletzt das musikalische Zeugnis seiner Vorgänger und Zeitgenossen. Manche der Funde werfen ein überraschendes, ja verstörendes Licht auf bisher unumstößliche Konventionen. Anders als der typische Oratorienchor, wie er uns aus Händels Londoner Zeit vertraut ist, bestand Bachs Chor vermutlich aus einem professionellen Vokalquartett (oder -quintett), das auch alle Soli und Duette ausführte. In einigen wenigen Werken Bachs wurde dieses Solistenensemble durch sogenannte Ripienisten ergänzt, deren Beteiligung aber nicht zwingend war. Parrott weist nach, dass diese Besetzungspraxis eines solistischen Chors Brauch in der deutschen lutherischen Kirchenmusik zur Zeit Bachs war. Seine Entscheidung für einzelne Stimmen hatte nicht den Grund, dass eine größere Anzahl nicht verfügbar, sondern dass es die übliche Besetzung einer kunstvollen konzertierenden Musik war. Das Buch enthält neben zahlreichen Bild- und Textdokumenten im Anhang auch den bisher unveröffentlichten Vortrag, mit dem Joshua Rifkin 1981 die bis heute kontroverse Debatte eingeleitet hat.

Andrew Parrott,
englischer Dirigent und Musikschriftsteller; Gründer und Leiter des Taverner Choir, Consort and Players, mit denen er für EMI (Virgin) und Sony zahlreiche Schallplatten eingespielt hat, darunter von Bach die „Hohe Messe h-Moll“, „das Magnificat“, die „Johannes-Passion“, das „Oster-Oratorium“ sowie einige Kantaten.