Wollte man ein Soundscape von Musik der Renaissance erstellen, dürfte der Klang von Knabenstimmen keinesfalls fehlen. Vor allem Musik im Kirchenraum, wo Frauen ihre Stimme nicht erheben durften, aber auch Musik bei Hofe, im Theater und in Bildungsinstitutionen rechnete fest mit den teils exquisit geschulten jungen Sängern, aus denen in der Regel die spätere Komponisten-Elite hervorging.

Der interdisziplinär angelegte Band geht dem Phänomen in vielfältiger Weise nach: Vor dem Hintergrund allgemeiner Vorstellungen von Kindheit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit werden die institutionellen Strukturen rekapituliert und die Lehrschriften erkundet, in denen sich niederschlägt, wie das Lernen didaktisch zu bewältigen war. Die pädagogischen und klanglichen Ideale und Ideologien, die sich mit den jungen Stimmen verbanden, werden in ihrer physiologischen, aufführungspraktischen und ästhetischen Dimension be- und hinterfragt. Auch ikonographisch wird das „Bild“ des singenden Knaben auf den Prüfstand gestellt.