Im Sommer 1882 fand bei den Bayreuther Festspielen die Uraufführung von Parsifal statt. Für die Einstudierung war Richard Wagner selbst verantwortlich. Die Produktion wurde nach seinem Tod ein halbes Jahrhundert lang auf dem Grünen Hügel gezeigt: bis 1933. Sie ist ideengeschichtlich und aufführungspraktisch eng mit dem Festspielhaus verbunden und hat Impulse gegeben, die bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg wirksam waren.
Brüche, Neuorientierungen und geistige Strömungen der Festspielgeschichte spiegeln sich exemplarisch in den Parsifal-Aufführungen. Die vorliegende Studie verbindet Werk-, Institutions-, Kultur- und Ideengeschichte und arbeitet mit einem neuen methodischen Ansatz, der versucht, dem komplexen Gebilde “Aufführung“ so nahe wie möglich zu kommen. So entsteht ein Stück Festspielgeschichte als Aufführungsgeschichte.
Ausgewertet werden dazu viele und zum Teil unveröffentlichte Quellen, die zum Beispiel Auskunft darüber geben, wie Wagner sein Bühnenweihfestspiel in die Akustik des Festspielhauses eingepasst hat, wie er mit den Sängern probte, wie seine Ideen später bewahrt und verfremdet wurden. Hermann Levi, dem Dirigenten der Uraufführung, und den Erfahrungen, die er als Jude in Bayreuth machen musste, ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Ein ausführlicher Dokumentations-Teil beschließt das Buch, darin unter anderem Brief- und Notendokumente aus Archiven in Bayreuth, München und Wien.

Aus dem Inhalt:
Wagners Wege und Irrwege der Eigenmobilisierung
Fiktion neuer Verbindlichkeit: Kunst und Religion
Die Geschichte der Höhenchöre
Die „unsichtbare Seele“: Voraussetzungen des Orchesterspiels
Vortragsästhetik als Vermittlung des Werktextes
Klangraum, Raumklang: Verfahren der Einpassung
Parsifal als Selbstversuch: Hermann Levi
Cosima Wagners Theater der Gesinnung
Siegfried Wagners Theater der Anpassung
Der „Bayreuther Stil“
Überlieferung als Fiktion? Karl Muck und Arturo Toscanini

- Zur Aufführungsgeschichte des letzten Musikdramas Wagners
- Mit einem Kapitel über den Dirigenten Hermann Levi und seine Erfahrungen als Jude in Bayreuth
- Wertet Interviews mit berühmten Dirigenten wie Barenboim und Levine aus

Der Autor:
Stephan Mösch habilitierte sich mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Bayreuth. Im Metzler-Verlag erschien seine preisgekrönte Monographie zu Boris Blacher: Der gebrauchte Text (2002). Für die Fachzeitschrift Opernwelt verfolgt er das internationale Musikleben und gibt das Jahrbuch OPER heraus. Publikationen zur Musik- und Theatergeschichte, zur Kulturpolitik, zu Theorie und Praxis des Gesanges und zum Thema Musik und Medien. Radiosendungen für viele ARD-Anstalten.